Trauerbegleitung bei frühem Kindsverlust

Kann die Trauer um ein Sternenkind gut begleitet werden?

Ein Sternenkind ist ein Kind, das während der Schwangerschaft, der Geburt oder kurz danach verstirbt. Dabei ist es zunächst einmal unerheblich aus welchem Grund. In vielen Fällen wird es auch keinen erkennbaren Grund geben, warum das Kind verstorben ist.

Bei der Frage nach einer Trauerbegleitung bei frühem Kindsverlust mache ich keine Unterscheidung, zu welchem Zeitpunkt der Schwangerschaft das Kind verstorben ist. Die Fragestellungen und Bedarfe der Eltern können sich aber sehr unterscheiden.


Trauer bei einem Schwangerschafts- verlust im ersten Trimester 1

Handelt es sich um einen frühen Schwangerschaftsverlust (vor der 12. SSW), dann ist es meist die (ehemals) schwangere Person, die sich hilfesuchend an eine Trauerbegleitung oder Beratungsstelle wendet. Die Anteilnahme (auch des nahen Umfeldes) hält sich zu diesem Zeitraum meist sehr in Grenzen, weil die Tatsache, dass hier ein Kind / ein Leben verloren wurde, für Außenstehende nicht greifbar ist. Oft ist es selbst für den Partner / die Partnerin sehr schwer anzuerkennen, dass hier ein Trauerprozess in Gang gesetzt wurde.

Für die betroffene Person kommt oft erschwerend hinzu, dass auch seitens des medizinischen Personals kaum Anteilnahme zu erwarten ist. Für sie ist es einfach eine Fehlgeburt, die durch eine Überweisung in die Klinik zu einer Kürettage schnell abgehakt werden kann und sollte. Den betroffenen Personen wird oft keine Wahl gelassen oder auch kaum Informationen gegeben, dass sie auch andere Optionen haben, diese Schwangerschaft abschließen zu können. Hebammen sind oftmals so überlastet, dass sie leider auch die medizinische Begleitung von sogenannten „kleinen Geburten“ nicht begleiten können oder sich scheuen, weil keine Erfahrungswerte vor sich liegen.

Die Trauerbegleitung kommt oft im Nachgang ins Spiel. Dann, wenn alles gelaufen ist, und die ehemals schwangeren Frauen merken, dass sie allein mit der Trauer nicht zurechtkommen. Sie erleben eine Diskrepanz zwischen dem, was sie empfinden und dem was ihnen ihr Umfeld signalisiert, dass „normal“ wäre. Trauerbegleitung kann hier eine Stütze sein, erklärend wirken und die trauernden Personen dabei unterstützen wieder ins Vertrauen zu kommen. Das ist wichtig, denn die Familien befinden sich in der Regel in einem aktiven Kinderwunschprozess – und erwünschen und ersehen sich so sehnlichst ein lebendes, gesundes Kind im Arm. Trauerbegleitung wird als Angebot der Bewältigung umso wichtiger, wenn ein solch früher Schwangerschaftsverlust bereits öfter erlebt wurde.

Möglichkeiten für die Begleitung von Schwangerschaftsverlusten im ersten Trimester sind z. B.:

  • Gruppenangebote für Menschen mit Verlusterfahrungen im gleichen Zeitraum. Das hat den enormen Vorteil, dass die Betroffenen sehen und erfahren, dass sie mit ihrem Erleben nicht allein sind und es noch andere Betroffene gibt. In diesem Fall zählt: geteiltes Leid kann auch halbes Leid bedeuten.
  • Angebote zur Selbstfürsorge und Schwangerennachsorge mit dem Fokus auf die Körperwahrnehmung und Rückbildung. Auch nach einer kurzen Phase der Schwangerschaft hat der Körper der gebärenden Person jede Menge zu leisten. Es gibt kein halb schwanger sein. Und auch eine 6-wöchige Schwangerschaft hinterlässt ihre Spuren im Körper der ehemals schwangeren Person.
  • 1:1 Begleitungen mit dem Fokus auf Trauerwissen, Fürsorge und Bewältigungsstrategien, die den Weg in eine mögliche erneute Schwangerschaft erleichtern.

Trauer bei einem Schwangerschafts- verlust im 2. Trimester

Ein Verlust der Schwangerschaft im 2. Trimester unterscheidet sich vor allem auch im medizinischen Umgang damit. Verstirbt das Kind in dieser Zeitspanne, so wird es notwendig, eine Geburt einzuleiten. Dazu werden der schwangeren Person Medikamente verabreicht, um Wehen auszulösen. Hier macht es „technisch“ gesehen keinen Unterschied, ob das Kind bereits verstorben ist oder ob es sich um einen medizinisch indizierten Schwangerschaftsabbruch handelt. Das Erleben ist für die gebärende Person oft traumatisierend. Sie erlebt Wehen – sieht aber oft den Kreissaal nicht von innen oder erhält keine Hebammenbegleitung. Wir sehen, dass hier viel im Fluss ist und auch die Versorger im Krankenhaus nach Möglichkeiten suchen, hier eine gute medizinische aber auch psychosoziale Begleitung bieten zu können. Dennoch ist hier noch viel Luft nach oben. Es gibt noch immer viel zu wenige Initiativen oder Vereine, die eine Begleitung einer solchen Geburt leisten können. Das ist nur möglich, wenn es eine ausreichende finanzielle Ausstattung durch Spenden gibt, denn andere Kostenträger fühlen sich für eine solche Begleitung nicht zuständig.

Stirbt ein Kind in einer späteren Schwangerschaftswoche verschärft sich die Trauer mitunter. Bei einem Kindsverlust geht es in der Trauer nicht mehr nur um den Verlust eines geliebten Menschen, sondern auch um den Verlust von Träumen und von Plänen für die Zukunft. Diese trauernden Menschen haben keine Vergangenheit mit dem Kind und ab dem Zeitpunkt des Versterbens auch keine Zukunft. Diese Trauer kann nicht mit Erinnerungsarbeit begleitet werden oder auf gemeinsame Glücksmomente aufbauen. Es gibt sie entweder nicht oder es sind so wenige, dass sie nicht tragfähig erscheinen. Trauerbegleitung bei der Trauer um ein Kind, dessen Leben noch nicht begonnen hat, stellt die Trauerbegleiter:innen vor große Herausforderungen. Dabei spielt auch Schuld eine Rolle. „Wenn ich doch bloß dieses / jenes nicht gegessen hätte.“, „Ich habe zu viel Stress gehabt und deshalb haben die Blutungen eingesetzt.“

Die fehlende oder mangelnde Anerkennung dieser Trauer im Umfeld kommt erschwerend hinzu. Mit steigendem Fortschreiten der Schwangerschaft steigt zwar auch das Verständnis für Trauer um das verlorene Kind – doch auch das hat Grenzen. Eine Trauerbegleitung von Familien nach einem Verlust in diesem Zeitraum ist daher unbedingt zu empfehlen.

Die konkrete Trauerbegleitung ermöglicht

  • die Einordnung des Erlebten – Nachbesprechung des Geburtserlebnisses
  • Manifestation, Eltern geworden zu sein
  • Vor- und Nachbereitung einer Abschiednahme 2 und der Schaffung von Erinnerungsstücken
  • Begleitung durch den Prozess der Trauer in allen Facetten

Gestaffelter Mutterschutz als Hilfestellung bei der Trauer

Immerhin gilt ab dem 1. Juni 2025 der gestaffelte Mutterschutz. Eine Angebot an gebärende Menschen auch bei einem Kindsverlust eine Schonfrist zu erhalten. Bewusst ein Angebot. Es darf in Anspruch genommen werden, muss aber nicht. Das ist ein Fortschritt – vor allem auch, weil es was mit Anerkennung der Schwere des Verlustes zu tun hat. Das Neue ist, dass dieser Mutterschutz bereits ab der 13. SSW greift. Bisher war das Recht auf Mutterschutz vom Geburtsgewicht < 500 g oder vom Erreichen der 24. SSW abhängig.

Trauer beim Tod des Kindes im letzten Schwangerschaftsdrittel, bei der Geburt oder kurz danach

Leider können Kinder auch am Ende der Schwangerschaft versterben. Auch hier können die Gründe vielfältig sein und doch ist hier noch eine Steigerung der empfundenen Dramatik zu beobachten. Die Kinder sind in diesem Zeitraum grundsätzlich lebensfähig und können bei guter medizinischer Betreuung auch als Frühchen behandelt werden. Nur, wenn „im Bauch“ etwas passiert, greift keine medizinische Behandlung mehr. Die Betroffenen und das Umfeld sind schockiert, war doch der errechnete Geburtstermin schon zum Greifen nahe.

Trauerbegleitung bei frühem Kindsverlust ist eine besondere Aufgabe

Trauerbegleitung bei frühem Kindsverlust stellt eine besondere Herausforderung für alle Begleitende dar. Durch das Erleben und die erfahrene Hilflosigkeit – dem Ausgeliefert sein der Situation und dem medizinischen Personal gegenüber – sind Kriterien erfüllt, die für die Definition von Trauma gelten. Ein früher Kindsverlust ist traumatisch und vor allem die gesamte Erfahrung kann traumatisch sein. Hier gilt es für Begleitende besonders sensibel vorzugehen und zu erkennen, an welcher Stelle aus einem besonders belastendem Erleben ein behandlungswürdiges Trauma wird.

Deshalb wäre es absolut wünschenswert, wenn eine multiprofessionelle Begleitung nach einem frühen Kindsverlust während der Schwangerschaft, Geburt oder kurz danach immer zu einem Begleitungsangebot führt, welches jeder Mutter und jedem Vater im besten Fall kostenfrei zur Verfügung steht.


  1. Der Zeitraum der Schwangerschaft wird auch in Trimester unterteilt. Das 1. Trimester umfasst die Zeit bis zur 12. Schwangerschaftswoche (SSW) (oder bis zum 3. Monat). Das 2. Trimester umfasst die Zeit von 13. bis 24. SSW und das 3. Trimester ist die 25. – 40. SSW ↩︎
  2. Je nach Bundesland gibt es unterschiedliche Regelungen, was die Bestattungspflicht angeht. In Bayern dürfen Kinder, die vor der 24. SSW (oder bis zu einem Geburtsgewicht bis 500g) bestattet werden, liegen sie darüber gilt die Bestattungspflicht. ↩︎

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