
Trauer braucht Raum. Raum zum Fühlen, Raum zum Erinnern, Raum zum Sprechen oder zum Schweigen. Diese Räume können ganz unterschiedlich aussehen: Ein Grabstein auf dem Friedhof, eine vertraute Küchenbank, ein Ritual am Wasser. Immer häufiger entstehen auch digitale Trauerräume, beispielsweise auf Social Media, auf Webseiten oder in virtuellen 3D-Erinnerungsräumen.
Im Alltag sind es die kleinen Ticks und Macken der Menschen, die in uns Erinnerungen auslösen. Zum Beispiel aß mein Großvater beim Frühstück immer sein Toastbrot mit Messer und Gabel. Manchmal, wenn ich seine Gabel benutze, muss ich schmunzeln. Es wäre schön, diesen kleinen Moment mit den Menschen teilen zu können, die meinen Großvater kannten.
Dieser Opa ist übrigens erst 2021 gestorben. Er war der erste Mensch, den ich aus meiner eigenen Familie verloren habe. Wir erinnern uns alle: Damals war die CoViD-19-Pandemie, und ich konnte, obwohl ich Bestattungsfachkraft gelernt hatte, wegen des Lockdowns keine Trauerfeier für meinen Großvater organisieren. Also dachte ich mir: Lass uns ein digitales Ritual abhalten, bei dem meine ganze Familie zusammenkommen kann, um Abschied zu nehmen.
Das war der Moment, in dem mir bewusst wurde: Wir befinden uns zwar im 21. Jahrhundert – aber Beerdigungen sind immer noch richtig analog. Es gibt keine digitale Lösung, um sich zu verabschieden. Stimmt, es gab Videocalls und animierte Kerzenbilder auf den Webseiten der Regionalzeitungen – aber das wurde für mich dem Anlass nicht gerecht. Und so begann meine Reise in die 3D-Welt.

Es ist wie eine Galerie des Lebens. An den Wänden hängen Bilder, und man kann sich Sprachnachrichten anhören oder Kommentare hinterlassen.
Wir leben in drei Dimensionen. Bei Videogesprächen oder Facebook-Seiten haben wir nur zwei Dimensionen, und wir befinden uns stationär an einem Ort. Das ist anders in 3D-Räumen: Wir haben links, rechts, vor uns und hinter uns. Das gibt uns Orientierung und ein Gefühl von Gemeinschaft.
Dieser Raum ist jederzeit und von überall erreichbar – nachts um vier für mich allein oder um 18:00, wenn wir uns alle verabredet haben. Wir brauchen keine VR-Brille – alles, was wir brauchen, ist ein Smartphone.
Und dann betreten wir eine Welt, in der wir frei sind von traditionellen oder religiösen Erwartungen. Ein Ort, der frei ist von unebenen Wegen, weiten und dadurch auch teuren Entfernungen. Unabhängig von zerstrittenen Familien und komplizierten Beziehungsverstrickungen. Ich kann einen Avatar wählen, der so aussieht wie ich – oder der ein Superhelden-Kostüm trägt. Es geht darum, unseren ganz eigenen Abschiedsraum zu gestalten. Und das bringt noch einen Vorteil mit sich: Mit einem Avatar in einem virtuellen Raum kann (wieder) eine gewisse Leichtigkeit in Gesprächen einziehen.

Das ist Magie, die in Interaktionen in 3D-Räumen passieren kann: Sie schaffen neue und langfristige Erinnerungen. Bei 2D-Videoanrufen ist das weniger der Fall. Nach meiner Erfahrung können unser Gedächtnis und unsere Gefühle mit drei Dimensionen mehr anfangen. Dafür braucht es eine Umgebung, die wir kennen, die uns an Vertrautes erinnert – wie Omas Garten oder das Wohnzimmer der Eltern.
Natürlich unterscheidet sich eine Trauerfeier in einem 3D-Raum stark von einer Beerdigung. Virtuelle Räume und Avatare sind Gamern vertraut, aber noch nicht der breiten Masse. Und Neues ist erst mal problematisch – aber nur dann, wenn es komplett unerwartet kommt. Ich gebe zu: die technischen Herausforderungen sind noch hoch und schwierig, allein die Steuerung im Raum lässt uns innehalten und nicht mal nebenbei E-Mails checken. 3D-Erinnerungsräume können eine Bestattung nicht ersetzen – und sollen dies auch nicht. Aber sie können sie ergänzen. Sie ermöglichen, Erinnerungen an die Verstorbenen anders zu erleben – und zu teilen.
Wir investieren so viel in die Anfänge unseres Lebens – man denke an Babypartys, Hochzeiten, die denkwürdigen Momente, die wir schaffen –, aber wir vernachlässigen das Ende. Was bleibt von einem Leben am Ende übrig? Was sind die Geschichten, die es wert sind, erzählt zu werden? Ich denke, wir können dem einen Raum und Bedeutung geben.
Trauerräume – egal ob physisch oder virtuell – erfüllen dabei denselben Zweck: sie schaffen Verbindung. Sie geben der Beziehung zu einem verstorbenen Menschen eine neue Form. Sie erlauben uns, weiter in Beziehung zu bleiben – auf andere Weise. Sie sind Ausdruck moderner, fluid gewordener Erinnerungskultur. Und sie eröffnen neue Möglichkeiten, Trauer aktiv zu gestalten.
Gemeinsam machen wir Trauer sichtbar und geben ihr den Platz, den sie verdient. Ob fachlich, privat oder als Unterstützer*in — hier ist Raum für Vernetzung und Engagement.
Mach mit. Gestalte Veränderung mit uns.
Wir arbeiten mit Menschen und Organisationen zusammen, die Trauer nicht wegsortieren, sondern ihr Raum geben.
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