Was eine:n gute:n Trauerbegleiter:in ausmacht

Ich werde immer wieder gefragt „Welche Ausbildungen und/oder Qualifizierungen brauche ich, um Trauerbegleiter:in zu werden?“. Doch bevor ich diese Frage in einem späteren separaten Blog-Beitrag beantworte, möchte ich zu Beginn erstmal versuchen zu definieren, was eine:n gute:n Trauerbegleiter:in ausmacht.

Menschen in emotionalen Ausnahmesituationen begleiten

Wir müssen uns immer vor Augen halten, dass wir andere Menschen begleiten, während sie in einem besonderen Zustand sind. Ihr Leben hat sich gerade komplett verändert durch den Verlust eines geliebten Menschen oder Tieres. Sie fühlen sich oft hilflos, „nackt“, haben wenig Energie und Konzentration, wissen selbst oft nicht, was ihnen jetzt guttun würde.

Ich bin kein:e gute:r Trauerbegleiter:in, nur weil ich selbst Trauer erlebt oder Trauerbegleitung in Anspruch genommen habe

Ich erlebe es immer wieder, dass Menschen ihre Erfahrung aus der eigenen Trauer weitergeben möchten. Das ist prima! Nur vergessen viele dabei, dass jeder Weg in der Trauer ein sehr individueller ist.

Für die eine ist Yoga die beste Art fit zu bleiben, für die nächste ist es Schwimmen, für jemand anderes 10km-Waldläufe. Nichts davon ist falsch oder richtig. Es ist einfach passend für das, was der- oder diejenige benötigt.

Nur weil Yoga für mich super funktioniert, funktioniert es nicht als Allheilmittel für alle. So ist das auch in der Trauer. Mein Weg zu trauern hat für mich gut funktioniert. Oder ein:e bestimmte:r Trauerbegleiter:in konnte mir sehr gut helfen. Aber das kann für 9 von 10 anderen Trauernden nicht der Fall sein.

Ich erlebe es leider häufig, auch im Ehrenamt, dass Menschen „helfen“ wollen und es „gut meinen“. Daher Tipps und Ratschläge geben, was die Trauernden nun tun sollten und ihre eigene Erfahrung in den Vordergrund stellen. Das kann übergriffig sein, den Trauernden Druck machen, „anders“ trauern zu müssen und entmündigt zugleich die Trauernden eigene Trauerwege zu finden.

Menschen, die zu anderen Menschen gehen und ihnen sagen, was sie tun sollen, sind keine Begleiter:innen. Sie sind Ratschlag-Geber:innen.

Jede:r Trauernde:r braucht etwas anderes

Also muss ich lernen, wie ich mich auf andere Trauernde einstellen kann. Ich muss lernen, wie ich den Trauernden in seiner menschlichen Ganzheit begreifen kann, denn Trauer ist nicht immer nur der Verlust. Trauer ist alles, was wir mit diesem Menschen oder Tier verbunden haben, z.B.:

  • Liebe
  • Zukunftswünsche
  • Schuld
  • Rollen (z.B. Kindererziehung)
  • Existenz / Sicherheit (bspw. finanziell)

Mir ist es daher wichtig, dass jede:r, der:die als Trauerbegleiter:in arbeiten möchte, versteht, welche Herausforderungen Trauernde mitbringen. Dass es nicht nur um „trösten“ und da sein geht, sondern manchmal auch ganz pragmatisch um das Lösen von Konflikten, Blockaden, Hilfe bei körperlichen Beschwerden etc..


Was ein:e Trauerbegleiter:in können sollte

Es ist nicht einfach das alles zusammenzufassen und sicherlich ist die Liste nicht endlich und abhängig davon, wen und in welchem Kontext ich Menschen in der Trauer begleite.

Ich habe mich mal an einer Auswahl probiert, welche Kriterien für den Beruf des:der Trauerbegleiter:in wichtig sind. Hierbei geht es oft um Kompetenzen und nicht nur zwangsläufig Qualifizierungen.

1. Auftragsklärung in der Trauerbegleitung

Nicht jede:r Trauernde:r, der/die in eine Trauerbegleitung kommt ist in diesem Moment nur traurig und möchte über seinen/ihren Verlust sprechen oder den Menschen, der gestorben ist.

Es ist daher wichtig genau zu erfragen und zu erforschen, womit die Person gerade Unterstützung braucht. Hier ein paar Beispiele, die uns in unserer Arbeit als Trauerbegleiter:in begegnen:

  • Beziehungskonflikte durch Rollenänderung / Rollenfindung innerhalb der Familie
  • Rituale und Aktivitäten finden, um mit der Trauer im Alltag umgehen zu können
  • Trauer mit (kleinen) Kindern bzw. mein Umgang mit Trauer vor den Kindern
  • keine „typischen Anzeichen von Trauer“ zeigen und daraus entstehende Konflikte im eigenen Umfeld.
  • Trauer am Arbeitsplatz bzw. Rückkehr nach einer Auszeit an den Arbeitsplatz

Jedoch kommen selten Trauernde und drücken das Anliegen ganz klar in einem Satz aus. Es ist an uns als gute:r Trauerbegleiter:innen herauszufinden, was genau für die aktuelle Trauerbegleitung wichtig ist und was benötigt wird.

2. Methodenkompetenz für Trauerbegleiter:innen

Im Endeffekt finde ich es mittlerweile total egal, welche Methoden wir als Trauerbegleiter:innen nutzen. Ob Kunsttherapie, Waldachtsamkeit, Sport/Bewegung, Musiktherapie, Schreibtherapie, tiergestützte Therapie, Systemische Therapie, usw. Auch hier ist es prima, umso bunter und vielfältiger es wird, damit jede:r Trauernde das passende für sich finden kann.

Egal, ob Gruppe oder Einzelgespräch, online oder offline, religiös oder weltlich. Wichtig ist, dass sich alle Beteiligten wohlfühlen, Vertrauen zueinander haben und ihre Grenzen kennen. Dazu gehört auch, dass ich mich als Trauerbegleiter:in wohlfühle mit meinen Methoden und weiß, welche Methode ich mit wem anwenden kann und vor allem: DARF.

3. Psychologische Kenntnis in der Trauerbegleitung

Für mich ist es ein Muss, dass ich ein Basisverständnis von gängigen psychologischen Krankheiten erlerne. Für Trauerbegleiter:innen ist das meiner Meinung nach vor allem wichtig bei Depression, Anpassungsstörung, Zwangsverhalten, Angststörung, PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung), Sucht und Suizidalität.

Ich muss wissen, wie ich jemanden begleite, der sich in einer emotionalen Ausnahmesituation befindet. Ich übernehme Verantwortung, ich mache ein kostenpflichtiges Angebot, ich biete meine psychologischen Dienste öffentlich an.

4. Grenzen kennen und wahren

Ich kann nur gut begleiten, wenn es mir selbst gut geht. D.h., ich lehne Anfragen ab, wenn ich müde, gestresst bin, zu viel zu tun habe. Ich achte zuerst auf mich selbst und falle nicht in ein Helfersyndrom, bei dem ich allen helfen muss, die sich bei mir melden. Dazu nutze ich selbst Coaching und Supervision.

In Begleitungen verweise ich auf andere Stellen oder Kolleg:innen aus meinem (Trauer Taskforce-) Netzwerk, wenn ich jemanden nicht begleiten kann und kenne die Grenzen meiner Methoden.

5. Selbstreflexion für Trauerbegleiter:innen

Als gute:r Trauerbegleiter:in muss ich mich regelmäßig selbst reflektieren und meine eigenen Blockaden und Überzeugungen hinterfragen. Es wird Begleitungen geben, die mir schwerfallen; bspw. weil sie mich an meinen eigenen Verlust erinnern. Oder weil das Thema für mich schwierig ist. Ich muss wissen, was mich selbst aus der Fassung bringt. Und einen Umgang damit finden, damit ich in der Begleitung bei mir bleiben kann.

Das heißt nicht, dass ich nicht berührt sein darf, vielleicht mit weine oder bestürzt bin. Es bedeutet, dass ich trotzdem bei mir bin und weiterhin gut begleiten kann. Das ist ein ständiger Lernprozess.
Wie denke ich über Tod und Trauer? Welche Bilder und Gefühle kommen dazu bei mir hoch? Ich muss mich dem Thema immer wieder stellen und eigene Psychohygiene betreiben.

Wer noch mehr zu dem Thema wissen möchte, hier gibt es auch noch eine interessante Studie dazu:

Was sollten Trauerbegleitende über psychische Störungen wissen? Ergebnisse einer Delphi-Befragung von Expert:innen

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