Trauer und Verlusterfahrungen – oder: Was fällt alles unter Trauer?
Trauer definiert sich als Reaktion auf Verlust.
Was genau verloren wird, lässt sich in zwei große Gruppen aufteilen: Der Verlust von Subjekten, also den Todesfall einer geliebten Person, und der Verlust von abstrakten Themen.
Der Tod von Personen
Schon im ersten Bereich gibt es Unterschiede, je nachdem, wer wann und wie stirbt. Das heißt, die Trauerreaktion kann unter anderem heftiger ausfallen, wenn extreme Situationen eintreten (z.B. Unfalltod des Kindes, Suizid des Partners). Und dennoch ist ein „normaler“ Tod (z.B. der Alterstod der Großmutter) genauso eine Verlusterfahrung und du kannst sie natürlich ebenfalls heftig empfinden. Nicht zu übersehen an dieser Stelle ist das Thema Fehlgeburt und Sternenkinder – diese gehören auch schon zum Familiensystem und werden ebenfalls betrauert. Und natürlich haben auch Haustiere ihren Platz in der Familie und gehören hier dazu.
Beim Lesen merkst du sicher schon – Trauer kann man gar nicht wirklich miteinander vergleichen. Meine Trauer ist nicht schlimmer oder weniger schlimm als deine. Sie ist anders, weil ich ein anderer Mensch bin als du und die Situation eine andere ist. Trauerreaktionen zu bewerten, ist eigentlich anmaßend. Wir tun es aber trotzdem automatisch, weil wir Menschen sind und unser Schubladendenken ganz von selbst anspringt und uns ja oft auch dient.
Verlust von abstrakten Themen
Kommen wir jetzt zum zweiten großen Bereich, der etwas schwieriger zu greifen ist, da es sich um Abstraktes handelt.
Auch der Verlust nicht greifbarer, nicht sichtbarer Dinge löst als Reaktion Trauer aus.
Trennung
Das lässt sich am Beispiel einer Trennung am besten verdeutlichen: Es ist Schluss! Die Beziehung ist beendet. Du reagierst mit Liebeskummer und Herzschmerz, Unterarten der Trauer!
Nach einer Trennung dauert es zum Teil sehr lang, bis du dich wieder stabilisierst und bereit bist, dich auf eine neue Beziehung einzulassen. Erst gilt es, die vielen großen und kleinen Wunden zu heilen, die du während der Beziehung und durch ihr Ende erleidest.
Wenn du schon einmal in dieser Situation warst, weißt du: Das macht keinen Spaß, das ist anstrengende Arbeit. Und im Gegensatz zu einem Trauerfall wird noch mehr erwartet, es schnell mit sich selbst zu klären und gleich wieder zu funktionieren. Aber wie soll das gehen, wenn du hier nicht nur der Person nachtrauerst, mit der es die Beziehung gab, sondern auch vielen weiteren Nuancen wie einem gemeinsamen Freundeskreis, vielleicht finanziellen Freiheiten, die es so jetzt nicht mehr gibt, und nicht zuletzt: Der gemeinsamen Zukunft, die jetzt für den Arsch ist! Jetzt gilt es, deinen Lebensentwurf völlig neu zu gestalten, denn die andere Person ist nicht mehr Teil vom Plan!
Weitere Verlustarten
Hüpfen wir rüber auf die räumliche Ebene:
Hier gibt es die Verlusterfahrung Umzug: Egal ob du selber ausziehst, die eigenen Kinder, oder vielleicht damals der beste Freund von nebenan wegziehen musste – diese Situationen können mit Abschiedsritualen besänftigt werden und dennoch finden sich hier viele Verlustmomente. Sich nicht mehr schnell mal auf einen Kaffee sehen können. Neue Räume, neue Gepflogenheiten. Viel Veränderung.
Und der Extremfall dieser Ebene heißt für Menschen mit Fluchterfahrung: Verlust von Heimat. Und das ist nochmal ein anderer Schmerz auf einer tiefer liegenden Ebene. Denn hierin stecken auch der Verlust von Sicherheit und Vertrauen aufs eigene Land sowie eine größere Distanz und Endgültigkeit als im obigen Beispiel.
Wiederum extremer dann der Verlust von Freiheit. Eingesperrt sein, nicht dem nachgehen können, was man tun will, Angst vor eventuellem Missbrauch und Ungerechtigkeiten.
Ciao Mythen und Märchen!
Hallo echtes Trauerwissen!
Und tauchen wir im Abstrakten weiter ein:
- Der Verlust des Arbeitsplatzes. Sich nicht gut genug fühlen, aus der Kollegschaft herausgenommen, künftig weniger Gehalt oder den Jobeinstieg vielleicht gar nicht mehr schaffen.
- Der Verlust von Gesundheit. Die Nachricht über eine schwere Krankheit bekommen.
- Der Verlust von Unversehrtheit. Nach Missbrauch oder Vergewaltigung.
- Der Verlust von Jugend. Älterwerden akzeptieren müssen. Lebensphasen verabschieden und aus neuen das Beste machen.
- Der Verlust der Ursprungsfamilie. Freiwilliges Verlassen oder Rauswurf.
- Der Wandel einer Beziehung. Freundschaften versanden, Geschwister werden einander fremd. Auch Ghosting und Ähnliches.
- Der Verlust vom sozialen Status, z.B. nach einer Trennung.
- Der Verlust von eigener Identifikation. Und ihr Wiederfinden, z. B. durch eine Transition.
- Das Betrauern von unerfüllten Träumen. Also z.B. ungewollte Kinderlosigkeit, andere Karriere, Versäumnisse aufgrund der finanziellen Lage.
- Als Extremfall auch noch genannt: Die Form von Trauer, wenn ein geliebter Mensch verschwindet und nichts über den Verbleib oder den Tod erfahren wird.
Du siehst – Verluste sind äußerst divers. Und oft spielen mehrere Faktoren hinein, die allesamt Trauer auslösen.
Eins bleibt all den verschiedenen Verlustarten gemein: Sie alle dürfen und sollen zu Recht betrauert werden.
Und da kommen wir Trauerbegleitungen ins Spiel; unterstützen und stabilisieren. Damit du den Verlust annehmen kannst und gut in die neue Lebensphase startest.